Neue Deutsche Medienmacher: "Geschlossene Gesellschaft in der Chefredaktion, fast niemand hat einen Migrationshintergund":
Pressemitteilung der Neuen deutschen Medienmacher*innen, 11. Mai 2020
Untersuchung zu Diversität im deutschen Journalismus 2020
Geschlossene Gesellschaft in der Chefredaktion,
fast niemand hat einen Migrationshintergrund
Deutschland ist ein Einwanderungsland, mehr als ein Viertel aller Menschen haben einen
Migrationshintergrund. Doch findet sich diese Vielfalt in den Redaktionen und Chefetagen von
Medienhäusern wieder? Die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) haben nachgefragt
und stellen erstmals Daten und Erkenntnisse für die reichweitenstärksten 122 Medien vor.
Daraus geht hervor:
1. Lediglich 6 Prozent der Chefredakteur*innen haben einen Migrationshintergrund.
Gruppen, die besonders von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, sind
darunter nicht vertreten (siehe Grafik im Anhang).
2. Deutsche Medienhäuser wissen nicht, wie vielfältig bzw. homogen ihre Redaktionen
sind, und sie wollen es offenbar auch nicht wissen. Der Migrationshintergrund oder
ähnliche Diversitätsmerkmale werden (bis auf eine Ausnahme) nicht erfasst.
3. Die meisten Chefredakteur*innen bewerten Diversität in Redaktionen grundsätzlich als
positiv. Doch kaum jemand ist bereit, etwas dafür zu tun. Im internationalen Vergleich
hinken deutsche Medien deutlich hinterher.
"Vielen deutschen Medien droht, dass sie den Anschluss an die Realität in Deutschland
verlieren. Schon heute hat in vielen Großstädten die Mehrheit der eingeschulten Kinder einen
Migrationshintergrund", sagt NdM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz. Medienexpertin
Prof. Dr. Christine Horz, die die Studie wissenschaftlich begleitet hat, erklärt: „Vor
allem öffentlich-rechtliche Sender sollten aufgrund ihres Auftrags die gesellschaftliche Vielfalt
abbilden, sich als Vorreiter präsentieren und endlich nachhaltige Diversitätsstrategien
konzipieren“.
Um neue Perspektiven in die Berichterstattung aufzunehmen und die Redaktionen zu öffnen,
empfehlen die Neuen deutschen Medienmacher*innen Medienhäusern folgende Maßnahmen:
1. Berichten Sie für die ganze Gesellschaft. Die Communities eingewanderter Menschen
sind große Zielgruppen, sie sollten als Publikum mitgedacht werden. Diversität im
Programm bzw. der Publikation kann die Reichweite und Auflage steigern und bringt
Sie als Arbeitgeber*in für Menschen aus Einwandererfamilien ins Spiel.
2. Vielfalt muss Chefsache werden. Entscheider*innen müssen gemeinsam mit der
Belegschaft eine Strategie zur Gewinnung von Personal mit Einwanderungsgeschichte
erarbeiten. Verändern Sie Ihre Rekrutierungsprozesse, sprechen Sie Bewerber*innen of
Color proaktiv an und schaffen Sie Formate zur Talentförderung. Sensibilisieren Sie
Ihre Personalverantwortlichen, für mehr Diversität zu sorgen.
3. Verschaffen Sie sich als Medienhaus ein Bild über den Anteil migrantischer
Journalist*innen in Ihren Reihen, legen Sie diese Diversitäts-Daten transparent offen
und formulieren Sie klare Zielvorgaben (softe "Quoten"), die überprüft werden können.
Der ausführliche Bericht mit allen Ergebnissen, Zahlen und Best-Practices ist hier abrufbar.
Die Untersuchung wurde von den Neuen deutschen Medienmacher*innen zunächst
ehrenamtlich durchgeführt, wurde wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Christine Horz,
Technische Hochschule Köln und im Verlauf freundlich unterstützt von der Google News
Initiative.
Der ausführliche Bericht mit allen Ergebnissen, Zahlen und Best-Practices ist hier abrufbar.
Pressemitteilung als Weblink: https://www.neuemedienmacher.de/diversity-im-journalismus-pm/#de
Auf Englisch: https://www.neuemedienmacher.de/diversity-im-journalismus-pm/#en
Pressekontakte:
NdM: Konstantina Vassiliou-Enz, vassiliou-enz@neuemedienmacher.de
TH Köln, Prof. Dr. Christine Horz, christine.horz@th-koeln.de