advd.Positionspapier: Demokratie leben heißt Diskriminierung wirksam entgegentreten
Deutschland braucht eine flächendeckende Beratungs- und Unterstützungsstruktur für Betroffene von Diskriminierung
Qualifizierte Antidiskriminierungsberatung ist ein wichtiges Unterstützungsangebot für Betroffene und ein zentraler Baustein jeder Demokratieförderung und Antidiskriminierungsstrategie - sie muss flächendeckend aufgebaut werden.
Die Aufstockung des Bundesprogramms Demokratie leben bietet die Chance, Antidiskriminierung als notwendigen fachlichen Schwerpunkt weiterzuentwickeln, Betroffene zu stärken und diskriminierende Praxen in unserer Gesellschaft abzubauen.
Es muss um mehr gehen als Rechtspopulismus und Nazis
Wir verurteilen Anschläge gegen Gemeinschaftsunterkünfte, müssen aber auch aktiv werden, wenn Vermieter_innen nicht an Geflüchtete vermieten möchten oder eine Mindestgültigkeit für Aufenthaltstitel von zwei Jahren zur Voraussetzung eines Mietvertrages machen.
Wir bekämpfen Hate Speech im Netz, müssen aber auch reagieren wenn Clubs Männern mit arabischem Hintergrund unter dem Vorwand „Heute schon voll.“ systematisch den Zutritt verweigert.
Wir machen Azubis gegen menschenfeindliche Ideologien stark, müssen aber auch handeln, wenn bei Bewerber_innen neben ihrer fachlichen Kompetenzen auch der Klang ihres Namens, ihre Religionszugehörigkeit und/oder Geschlecht über eine Einstellung entscheidet.
Rassistische Angriffe, Hate Speech und menschenfeindliche Ideologien sind die sichtbarste Form der Gefährdung eines demokratischen Zusammenlebens. Der kraftvolle Kerngedanke unserer Gemeinwesens ist, dass wir alle gleich in unserer Würde und in den grundlegenden Rechten und Entfaltungsmöglichkeiten sind. Diskriminierung verletzt dieses Selbstverständnis und muss konsequenter als bislang angegangen werden:
Diskriminierungserfahrungen sind verletzend. Wiederholte Diskriminierungen prägen Identitäten und Lebensläufe und sind ein wichtiger Faktor in Entfremdungs- und Radikalisierungsprozessen.
In Deutschland ist das Thema Diskriminierung strukturell stark unterbelichtet: Trotz weitgehender Gesetze stehen Betroffene in konkreten Situationen oftmals allein, die notwendigen kompetenten Unterstützungsangebote existieren nur in Ausnahmefällen.
Deshalb fordert der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) den Aufbau einer flächendeckenden Beratungs- und Unterstützungsstruktur für Betroffene von Diskriminierung.
Ziel muss ein niedrigschwelliges qualifiziertes Beratungsangebot strukturanalog der Mobilen Beratung und der Opferberatung sein - in allen Bundesländern und in Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern.
Konkret fordern wir:
- Antidiskriminierungsberatung als vierte Beratungssäule in Demokratie leben verankern
Antidiskriminierungsberatung soll als vierte Beratungssäule im Rahmen von Demokratie leben (analog der Mobilen Beratung, Opferberatung und Ausstiegsberatung) verankert werden. Dabei sollen sowohl der Bund als auch die Länder Verantwortung für die Entwicklung und die kontinuierliche Arbeit einer unabhängigen Antidiskriminierungsberatung übernehmen.
- Unabhängigkeit, Horizontalität, Niedrigschwelligkeit und flächendeckende Ausrichtung
Die zu entwickelnden Beratungsstrukturen sollen horizontal (merkmals- und zielgruppenübergreifend) ausgerichtet, nichtstaatlich organisiert und in ihrem Angebot flächendeckend und niedrigschwellig gestaltet werden.
- Umsetzung in enger Absprache mit Akteur_innen auf Bundes- und Länderebene
Die konkrete Konzeption und Umsetzung muss in enger Absprache mit den Akteur_innen auf Bundes- und Länderebene erfolgen. Hierbei sind sowohl die Landesdemokratiezentren einzubeziehen als auch die Akteur_innen aus dem Feld der Antidiskriminierungsarbeit wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die Landesantidiskriminierungsstellen bzw. die für Antidiskriminierung zuständigen Stellen auf Länderebene sowie die zivilgesellschaftlichen Akteur_innen. Der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) bietet hierfür gern seine Expertise an.
- Qualitätssicherung und Definition des fachlichen Rahmens
Mit der Entwicklung der Beratungsstrukturen einhergehend muss ein Prozess der Qualitätssicherung und der Definition des fachlichen Rahmens initiiert werden. Als Grundlage sollten die Praxiserfahrungen und bereits existierenden „Standards für eine qualifizierte Antidiskriminierungsberatung“ des advd Berücksichtigung finden.
- Angemessene Finanzierung
Der Aufbau und die laufende Arbeit der Beratungsstellen müssen ausreichend finanziert werden. Um den fachlichen Mindeststandards zu genügen und flächendeckend aufsuchend arbeiten zu können, ist mit durchschnittlichen Kosten von 400.000 € pro Bundesland zu rechnen. Unterschiedliche Größen (Einwohner_innenzahl, Fläche) aber auch Unterschiede in den bereits existierenden Strukturen und Rahmenbedingungen sind dabei zu beachten.
Was ist Antidiskriminierungsberatung? *** Warum braucht es ein spezialisiertes, unabhängiges Beratungsangebot? *** Wie sollte es ausgestattet sein? *** Was unterscheidet AD-Beratung von Opferberatung und Mobiler Beratung? *** Wie sieht die aktuelle Situation aus?
Der advd hat relevante Hintergrundinformationen zum Positionspapier in Form eines kompakten FAQ zusammengestellt.