Berlin: Offener Brief an Bildungssenatorin Scheeres zur Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten
Der advd unterstützt den Offenen Brief des Netzwerkes Diskriminierungskritische Qualifizierung, der die Entwicklungen im Berliner Bildungssenat im Themenfeld Antidiskriminierung beschreibt und kritisiert.
Dokumentation des Briefes
Sehr geehrte Frau Senatorin Scheeres,
Liebe Berliner*innen,
Auszug des Briefes
für uns als Netzwerk Diskriminierungskritische Qualifizierung (DQ) hat sich die Arbeitsgrundlage für eine qualitätsgesicherte und auf diskriminierungskritischen Standards beruhende Schulung der Leitungs- und Führungskräfte der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in den vergangenen Wochen drastisch geändert.
Durch die politischen Ereignisse der letzten Monate innerhalb der SenBJF stehen die beiden Hauptverantwortlichen für die Konzeption, Ausarbeitung und Implementierung der Modulschulung „Diskriminierungskritische Qualifizierung der Leitungs- und Führungskräfte SenBJF“ nicht mehr zur Verfügung. Für uns ist damit die langwierig erarbeitete, sehr voraussetzungsvolle diskriminierungskritische Arbeitsgrundlage faktisch vollständig weggebrochen. Das bedeutet konkret, dass eine integere und im Arbeitsfeld extrem qualifizierte Ansprechpartnerin weggefallen ist, und nun selbst nicht mehr an der Gestaltung der Reihe mitwirken kann.
Die Einrichtung der Stelle der Antidiskriminierungsbeauftragten ist maßgeblich das Ergebnis der langjährigen Verhandlungen um die Forderung der Zivilgesellschaft nach einer unabhängigen Beschwerdestelle. Sie stellt einen gemeinsamen Kompromiss dar, der nur unter großem Vertrauensvorschuss der Zivilgesellschaft erfolgen konnte. Vor dem Hintergrund, dass noch immer keine unabhängige Beschwerdestelle eingerichtet wurde, hat die jetzige Entkopplung von der Zivilgesellschaft fatale Auswirkungen auf die Etablierung von Standards. Sie schädigt eine notwendige Vertrauensbasis sowie die diskriminierungskritische Fürsorge – welche im Sinne des Leitbildes „Weltoffenes Berlin – chancengerechte Verwaltung“ umgesetzt werden soll (siehe dazu: Pressemitteilung der Senatskanzlei vom 04.06.2019).
Gemeinsam mit Staatssekretär Mark Rackles und der Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen Saraya Gomis konnte die 4jährige Modulschulung dialogisch konzipiert werden. Diese beruht grundlegend auf aktuellen diskriminierungskritischen Standards. Wesentlich hierbei war vor allem eine inhaltliche wie kommunikative Transparenz als Voraussetzung für diskriminierungskritisches Handeln.
Die Modulschulung ist aus unserer Sicht von besonderer Bedeutung – nicht nur, weil sie im Bundesgebiet bislang einzigartig ist, sondern auch, weil sie als verpflichtende Fortbildung konzipiert wurde. Sie ist wesentlicher Teil einer Gesamtstrategie von diskriminierungskritischen und diversitätsorientierten Bildungsräumen, die Schule und Verwaltung miteinander konstruktiv und zugewandt zu verbinden sucht. Dazu bedarf es dringend einer*s Antidiskriminierungsbeauftragte*n, die mit klaren Befugnissen ausgestattet ist. Eine effektive Gleichstellung ist nur dort implementierbar, wo rechtliche Grundlagen klar konsentiert und durchgesetzt werden.
Die Bedeutung von Standards zeigt sich auf beachtliche Weise in den ersten evaluativen Erfahrungen mit den Modulen 1 und 2: Aus unserer fachlichen Expertise wissen wir, diskriminierungskritische Fürsorge für die Träger*innen der Schulungen ist erforderlich. Ohne das diskriminierungskritische Implementierungswissen und die Strukturierungsqualität einer Saraya Gomis ist das unserer Ansicht nach nicht mehr vertrauensvoll möglich und auch nicht zielführend.
Wir haben nach wie vor eine große Bereitschaft, die Modulschulung „Diskriminierungskritische Qualifizierung“ durchzuführen – sehen aber die Voraussetzungen dafür derzeit nicht erfüllt. Wir bitten Sie daher eindringlich, die Bedingungen innerhalb der Senatsverwaltung so zu umzugestalten, dass eine weitere Zusammenarbeit mit Saraya Gomis als Antidiskriminierungsbeauftragte für uns möglich ist. Bis dahin setzen wir jegliche Schulungen bis auf weiteres aus.
Wir fordern zudem die lückenlose Aufklärung über die Nichtbewerbung der noch amtierenden Antidiskriminierungsbeauftragten, die sich nicht über den Sachverhalt äußern darf. Der jetzige Umgang mit der Stelle birgt die Gefahr, eher institutionelle Diskriminierung zu fördern statt zu mindern, wenn diese Stelle nicht mit Verantwortungsübernahme, Befugnissen, Vertrauen der unterschiedlichsten zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und mit angemessenen Arbeitsbedingungen ausgestattet ist.
Abbau von institutioneller Diskriminierung ist eine Querschnittsaufgabe von hoher Relevanz und muss von allen Führungs- und Leitungspersonen getragen werden.
Hochachtungsvoll,
das Netzwerk Diskriminierungskritische Qualifizierung (DQ)