Ausschreibung bundesweite Ausbildungsreihe Antidiskriminierungsberatung 2020/21
Ende Mai startet der advd seine 10. Ausbildungsreihe für Antidiskriminierungsberater_innen. Die Ausbildungsreihe umfasst 6 zweitägige Module zu Themen wie AD-Beratung als Beratungsprozess, außergerichtliche Interventionen, Rechtlicher Diskriminierungsschutz und rechtliche Interventionen, fallübergreifende Handlungsmöglichkeiten etc.
Eine Bewerbung ist bis zum 26. April 2020 möglich.
Was ist Antidiskriminierungsberatung?
Antidiskriminierungsberatung ist ein qualifiziertes Unterstützungsangebot für Betroffene von Diskriminierung. Ausgehend von der konkreten Einzelfallarbeit umfasst der Ansatz auch die Arbeit an strukturellen Formen von Diskriminierung und die Arbeit als Fachstelle für Organisationen und Multiplikator_innen mit Diskriminierung als Querschnittsthema.
Qualifiziertes Unterstützungsangebot für Betroffene: Empowerment und Durchsetzung von Rechten
Antidiskriminierungsberatung ist ein Unterstützungsangebot für Betroffene von Diskriminierung. Auf der Grundlage fachlicher Standards bietet es einen geschützten Raum zur Bearbeitung von Diskriminierungserfahrungen und begleitet Ratsuchende bei konkreten Schritten zur Einforderung ihres Rechts auf Gleichbehandlung und Respekt. Dabei werden psycho-soziale, rechtliche, politische und sozialwissenschaftliche Aspekte einbezogen.
Impulsgeber für Veränderungen: Abbau von Diskriminierung in Institutionen und Strukturen
Ausgehend von der Arbeit in konkreten Einzelfällen gibt Antidiskriminierungsberatung Impulse
für institutionelle und strukturelle Veränderungen. Diskriminierende Praxen werden sichtbar gemacht
und thematisiert, Sensibilisierungs- und Veränderungsprozesse in Unternehmen, Organisationen
und Verwaltungen begleitet.
Fachstelle für Diskriminierung: Sensibilisierung der Regelstrukturen und zentraler Knoten in Verweisnetzwerken
Diskriminierung und Diskriminierungserfahrungen sind ein fachliches Querschnittsthema der Sozialen Arbeit. Antidiskriminierungsberatung trägt die fachliche Expertise in die Beratungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe, vernetzt und übernimmt die themen-spezifische Beratungsarbeit.
Der advd ist der Fachverband unabhängiger Antidiskriminierungsberatungsstellen. Auf der Grundlage der Praxis und Expertise seiner Mitgliedsorganisationen hat er zentrale Prinzipien, ein Handlungsmodell und zentrale Interventionsformen der Antidiskriminierungsberatung formuliert. Er hat das Ziel, Antidiskriminierungsberatung als eigenständiges Beratungsangebot im Rahmen der Sozialen Arbeit zu etablieren und weiterzuentwickeln.
Aufbau und Zielsetzung der Ausbildung
Die Ausbildung vermittelt die wesentlichen Inhalte und Haltungen der Antidiskriminierungsberatung und qualifiziert zu eigenständiger Beratungstätigkeit.
Die Qualifizierungsreihe besteht aus sechs aufeinander aufbauenden, zweitägigen Modulen. In den Modulen werden theoretische Grundlagen vermittelt und anhand konkreter Fallbeispiele und Übungen mit Bezug zum eigenen Arbeitskontext in der Gruppe reflektiert.
Inhaltliche Grundlage sind die Standards für eine qualifizierte Antidiskriminierungsberatung des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland (advd) sowie die langjährigen Beratungserfahrungen seiner Mitgliedsorganisationen und Trainer_innen.
Gegenstand der Ausbildung ist die Auseinandersetzung mit
grundlegenden fachlichen Prinzipien wie Positioniertheit/ Positionierung, Parteilichkeit, Intersektionalität, Unabhängigkeit und Empowerment
zentralen Interventionsformen wie dem Sprechen im geschützten Raum/ psychosoziale Beratung, Recherche, Beschwerdebrief, Vermittlungsgespräch, Klage und Klagebegleitung, fallbezogene Öffentlichkeitsarbeit, fallübergreifende/ strukturelle Arbeit
rechtlichen und politischen Grundlagen des Diskriminierungsschutzes und strukturellen Rahmenbedingungen
kollegialer Fachaustausch zu konkreten Beratungsanliegen
Zielgruppe
Die Weiterbildung richtet sich an Menschen, die in der Antidiskriminierungsberatung arbeiten (berufsbegleitend) oder eine Beratungsarbeit planen (berufsvorbereitend).
Arbeitsweise
Lernen in einem von Machtverhältnissen geprägten Raum
Machtverhältnisse prägen Gesellschaft und jede_n von uns auf vielfältige und - entsprechend unserer Positioniertheiten - unterschiedliche Weisen. Durch die Überlappung unterschiedlicher Machtverhältnisse erfahren wir Privilegien und strukturelle Benachteiligungen, mit denen wir biographisch, tagesform- aber auch kontextabhängig unterschiedlich umgehen.
Auch die Ausbildung ist kein machtfreier Raum außerhalb der Gesellschaft. Für die gemeinsame Ausbildung und die heterogene Lerngruppe bedeutet das, dass wir mit unterschiedlichen Wissensständen, Erfahrungshintergründen, Lernprozessen, Bedürfnissen und Verletztheiten und Verletzbarkeiten zusammenkommen. Aus diesen Gründen ist die Ausbildung auch kein Safe Space oder Empowerment-Raum. Aber sie ist sie ein Raum, in dem Machtverhältnisse nicht unreflektiert wirken, sondern in dem wir uns bewusst dazu verhalten.
Achtsamkeit, Wertschätzung, Eigenverantwortung, Selbstreflexion, ein gemeinsames Ausloten des Spannungsverhältnisses zwischen Lern- und Schutzraum, Fehlerfreundlichkeit sind Haltungen, die unterschiedliches und gemeinsames Lernen in einer machtkritischen Umgebung ermöglichen sollen.
Zusätzlich gibt es einen Rahmen, für den die Trainer_innen die Verantwortung übernehmen. Dazu gehört u.a. der Wechsel zwischen gemeinsamen und getrennten Räumen, die kontinuierliche Reflexion von Machtverhältnissen bezüglich der Gruppendynamik und der Ausbildungsinhalte und ein transparenter Umgang mit Konflikten und Verletzungserfahrungen.
Lernen in Eigenverantwortung
Wir verstehen Lernen als einen selbstgesteuerten Prozess entlang individuell definierter Lernziele. Diese können sich mit den Lehrzielen der Ausbildung und Trainer_innen decken und/ oder in einem Spannungsverhältnis stehen, dass im Dialog besprochen und produktiv gemacht werden soll. Die Ausbildung wird die Verfolgung von Lernzielen durch ein Lerntagebuch sowie Literaturhinweise und kurze Reflexionsberichte im Vorfeld der jeweiligen Module unterstützen.
Voraussetzungen für die Teilnahme an der Weiterbildung
Im Rahmen der sechs Module werden aufgrund der begrenzten Zeit nur Kernkompetenzen der Antidiskriminierungsberatung vermittelt. Diese bauen auf den allgemeinen Grundlagen der Beratungsarbeit und einer theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen wie Rassismus, Heteronormativität, Ableismus etc. auf. Die Grundlagen in beiden Bereichen können im Rahmen der Ausbildung nicht systematisch gemeinsam erarbeitet werden, sondern müssen in Teilen vorausgesetzt werden.
Deshalb setzen wir die folgenden Dinge voraus:
Grundkenntnisse/ -erfahrungen in der Beratungsarbeit
vertiefte persönliche und fachliche Auseinandersetzungen mit mindestens einem Machtverhältnis
Erfahrung und Bereitschaft, das eigene Handeln im Kontext von Macht und Herrschaft kritisch zu reflektieren
Zertifizierung und Anforderungen
Die Teilnehmenden erhalten das Zertifikat „Antidiskriminierungsberatung (Grundausbildung)“, wenn sie
an den sechs Weiterbildungsmodulen teilnehmen (max. 2 Tage Fehlzeit unabhängig von den konkreten Gründen).
eigenständige Beratungsarbeiten (beispielsweise das Verfassen von Beschwerdebriefen, Vorstellung von Beratungsprozessen und eigenen Beratungsthemen etc.) einbringen. Der Arbeitsumfang wird hier mit 5 Stunden pro Modul geplant und zu Beginn der Ausbildung konkretisiert.
Können die Anforderung an ein Zertifikat nicht erfüllt werden, erhalten die Teilnehmenden eine Teilnahmebestätigung für die besuchten Module.
Eine weitergehend Zertifizierung „Antidiskriminierungsberatung (Aufbaukurs)“ ist möglich, wenn zusätzlich zur Grundausbildung drei fachbezogene Weiterbildungen (Umfang jeweils mindestens 8 UE) nachgewiesen werden.
Ablauf und Inhalte
Modul 1: Fachliches Diskriminierungsverständnis, Qualifizierte Antidiskriminierungsberatung, Erst- und Verweisberatung
Erarbeitung und Reflexion des Diskriminierungsverständnisses der Qualifizierten Antidiskriminierungsberatung
Einführung in die Antidiskriminierung als Feld der Sozialen Arbeit (Prinzipien, Handlungsmodell, Interventionsmethoden, Rahmenbedingungen)
Abgrenzung von angrenzenden Beratungsangeboten (Opferberatung, Mobile Beratung)
Auseinandersetzung mit Beratungs- und Anlauf- und Verweisstrukturen (staatlich - nicht-staatlich, Antidiskriminierung als Kern- oder Querschnittsthema)
Modul 2: Antidiskriminierungsberatung als Prozess, beraterische Haltung, Positioniertheiten/ Positionierung
Qualifizierte Antidiskriminierungsberatung als Berufsfeld der Sozialen Arbeit: Auseinandersetzung mit den fachlichen Standards unter besonderer Beachtung der Bedeutung von Positionierung/ Positioniertheit und Empowerment im Verlauf von Beratungsprozessen
Reflexion der professionellen Haltung, Beziehungsgestaltung und Rolle/ „Sprechen im Geschützen Raum“ als Grundlage der Beratung
Erarbeiten von Grundlagen zu Auftragsverhandlung, Prozessnavigation und Abschluss
vertiefter Überblick über Interventionsformen und Handlungsstrategien
Reflexion eigener Positioniertheiten und Beziehungsdynamiken in Bezug auf das Berater_innen-Ratsuchenden-Verhältnis im Kontext der intersektionalen Antidiskriminierungsberatung
Modul 3: Außergerichtliche Interventionen I
Vertiefung der außergerichtlichen Interventionsformen Beschwerdebrief und Vermittlungsgespräch
auf der Metaebene (Wann ist welche Interventionsform sinnvoll? Vor- und Nachteile im Vergleich)
der Makroebene (Wie funktioniert die Intervention? Was ist zu beachten?)
der Mikroebene (Wie kann/ muss die Intervention an die Erwartungen und Sinnkonstruktionen der Ratsuchenden im konkreten Fall angepasst werden?)
Reflexion eigener Positioniertheiten im Kontext des Akteur_innen-Dreieck Berater_in - Ratsuchende_r - Diskriminierungsverantwortliche_r und die Konsequenzen für die eigenen Handlungsmöglichkeiten im Kontext von Empowerment und Powersharing
Modul 4: Rechtlicher Diskriminierungsschutz und rechtliche Interventionen
Systematik des europäischen und nationalen Rechtsschutzes gegen Diskriminierung
anwendungsbezogene Vertiefung des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), aktuelle Rechtssprechung und -entwicklung
Rollenklärung und Kooperation zwischen AD-Berater_innen und Rechtsanwält_innen
Relevanz und Anwendung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes in der Beratung
Modul 5: Außergerichtliche Interventionen II
Vertiefung der außergerichtlichen Interventionsformen fallbezogene Öffentlichkeitsarbeit, Recherche, fallübergreifende Arbeit/ Kampagnenarbeit , Dokumentation
Arbeit mit der Digitalen Akte
Reflexion professionellen Handelns im Kontext der intersektionalen Antidiskriminierungsberatung anhand des Trilemma-Ansatzes (Boger)
Modul 6: Rechtliche Interventionen II und Fallarbeit mit eigenem Praxisbezug
Entscheidungsberatung als Grundlage für rechtliche Interventionen
Self-Care für Berater_innen
Reflexion der Ausbildungsinhalte anhand konkreter Fallbeispiele
Die konkreten Inhalte können entsprechend der Bedarfe der Gruppe an den gemeinsamen Lernprozess modifiziert werden.
Ort und Termine
Die Ausbildung findet in Leipzig statt. Detaillierte Informationen zum Seminarort werden vor Beginn der Ausbildung nachgereicht. Die Seminartage sind in der Regel Donnerstag und Freitag.
1. Modul
Einstieg, Definition, Einführung AD-Beratung
25./26.05. 2020 (Mo/Di)
2. Modul
AD als Beratungsprozess, Beraterische Haltung, Auftragsverhandlung, Beziehungsgestaltung
23./24.06.2020 (Di/,Mi)
3. Modul
Außergerichtlich Interventionen: Beschwerdebrief, Vermittlungsgespräch, Recherche
10./11.09.2020 (Do/Fr)
4. Modul
Rechtlicher Diskriminierungsschutz, AGG, Klagebegleitung
05./06.11.2020 (Do/Fr)
5. Modul
Positioniertheit, Positionierungen
10./11.12.2020 (Do/Fr)
6. Modul
Entscheidungsberatung, Strukturelle Interventionen, Fallbezogene ÖA, Fallarbeit, Abschluss
21./22.01.2020 (Do/Fr)
Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie kann es kurzfristig zu Verschiebung des Beginns der Ausbildungsreihe kommen. In diesem Fall werden zusätzliche Termine für 2021 in gemeinsamer Absprache vereinbart werden.
Arbeitszeiten
Tag 1: 10:00 - 18:00 Uhr
Tag 2: 09:00 - 16:30 Uhr
Barrierefreiheit
Die Seminarorte sind barrierefrei erreichbar und zugänglich. Bitte kontaktieren Sie uns, wenn Sie Bedarfe oder Fragen bezüglich der baulichen und/oder kommunikativen Barrierefreiheit haben.
Trainer_innen
Die Ausbildung wird von Daniel Bartel (advd) im Team mit wechselnden Trainer_innen aus den Mitgliedsorganisationen des advd jeweils im Tandem geleitet. Alle Trainer_innen haben Erfahrung als Berater_innen in der Antidiskriminierungsberatung. In der Zusammensetzung der jeweiligen Trainer_innenteams wird auf die Repräsentation unterschiedlicher Positioniertheiten geachtet.
Ausbildungsumfang
Die Grundausbildung besteht aus sechs zweitägigen Modulen.
Die Gesamtstundenzahl beträgt 114 Zeitstunden. Diese verteilt sich auf die Seminarzeit im Rahmen der Ausbildungsmodule mit 84 Stunden und 30 Stunden für die Vor- und Nachbereitung (5 Stunden pro Modul).
Unterstützung begleitend zu den Modulen und Ansprechpersonen
In Ergänzung zu der Ausbildung selbst bieten alle Trainer_innen nach Bedarf Feedback- und Begleitungsgespräche zu den Themen der Ausbildung und ihrer Umsetzung in der Praxis an.
Alle Trainer_innen stehen zusätzlich auch als Ansprechsprechpersonen für Anliegen bereit, die im Rahmen der Ausbildung auftreten, so dass diese in der Gruppe und/oder im Rahmen der Module thematisiert werden können aber nicht müssen.
Kosten
Die Kosten der Teilnahme an der Qualifizierungsreihe betragen 600 € (advd-Mitgliedsorganisationen) und 1.500€ (nicht-Mitglieder). Davon abweichende Regelungen sind in Rücksprache möglich.
Anmeldung
Die Anmeldung erfolgt im Rahmen eines schriftlichen Bewerbungsverfahrens. Die Unterlagen finden Sie hier:
https://www.surveymonkey.de/r/G5RTQDP
Bewerbungsfrist ist der 26. April 2020.
Eine Zu- oder Absage erfolgt bis zum 08. Mai 2020.
Auswahl der Teilnehmer_innen
Aufgrund der begrenzten Anzahl der Plätze und einer vermutlich höheren Nachfrage kann es sein, dass wir eine Auswahl treffen werden müssen. Kriterien bei der Auswahl werden sein:
Diversität der Ausbildungsgruppe bezogen auf zentrale Machtverhältnisse
Perspektiven-, Professions- und Organisationenvielfalt
Unterstützung bestehender Beratungsstrukturen und Förderung des Aufbaus neuer Strukturen/ Netzwerke
Verteilung der Teilnehmer_innen bezüglich ihrer Wirkungskreise im Bundesgebiet
Ansprechpartner_innen
Inhaltliche Fragen: Daniel Bartel (daniel.bartel@antidiskriminierung.org)
Organisatorische Fragen: Karina Woll (karina.woll@antidiskriminierung.org)
Naunynstraße 64
10997 Berlin
Tel: 0159 06146613