BKMO-Empfehlungen zum Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus & Rassismus

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Die Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) hat einen Begleitausschuss (BA) von Expert*innen eingesetzt, um den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus kritisch zu begleiten. Damit der Kabinettsausschuss wirkungsvolle Maßnahmen entwickeln kann, müssen rassismuskritische Expertisen von rassismuserfahrenen Menschen berücksichtigt werden, und die wiederholt in unterschiedlichen Stellungnahmen zuletzt im offenen Brief an Fr. Bundeskanzlerin Dr. Merkel am 27. Februar 2020 nach dem Anschlag in Hanau dargelegt wurden. Folgende drei Punkte sehen wir als essenziell an und fordern den Kabinettsausschuss auf diese zu berücksichtigen, damit dieser seinen Auftrag einer „rassismusfreien und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft“ erfolgreich erfüllen kann:

1. Die Grundlage für die Arbeit des Kabinettsausschusses und die Konsultation mit der Zivilgesellschaft muss ein gemeinsames Verständnis von Rassismus sein. Ein wesentliches Ziel dabei ist die Erarbeitung einer gemeinsamen Definition von Rassismus, auch institutionellem Rassismus

2. Rechtsextremismus einerseits sowie Rassismus und die Gleichstellung von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund in der Einwanderungsgesellschaft anderseits müssen als eigenständige Arbeitsbereiche behandelt und entsprechende wirksame und zu kontrollierende Maßnahmen auf dieser Grundlage erarbeitet werden. Für diese beiden Bereiche sind unterschiedliche Handlungskonzepte nötig. Auch wenn beide Themenbereiche Schnittmengen aufweisen, unterscheiden sie sich in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Ursachen und Wirkungen erheblich voneinander

3. Es bedarf konkreter auch rechtlicher Schritte, die die institutionelle Verankerung, eine dauerhafte und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Rassismus und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft auf Bundes-, Landes-, und Kommunalebene gewährleisten.

Im Folgenden werden Begriffsdefinitionen und Handlungsempfehlungen vorgeschlagen.

I. Begriffsdefinition – Rassismus/Diskriminierung

Der Begleitausschuss der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen empfiehlt dem Kabinettausschuss, sich an der Definition der Enquetekommission „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“ zu orientieren.

„Rassismus konstruiert soziale Rassen, sodass (zugeschriebene) körperliche, kulturelle oder religiöse Aspekte oder Besonderheiten (Neigungen, Charaktereigenschaften, Talente) als genuine Gruppenmerkmale erscheinen, die für alle Gruppenmitglieder zentral bedeutsam seien und einen grundsätzlichen Unterschied zur ‚eigenen Gruppe‘ markierten. Die Konstruktion von ‚Rassen‘ hat zum Ziel und/oder als Effekt, dass eine eigene Gruppenidentität durch Abgrenzung von Anderen geschaffen wird und dass Aggressionen, Ausschlüsse und Privilegien damit legitimiert werden. Dieser kontinuierliche Prozess der Rassenkonstruktion (Rassifizierung) dient der impliziten oder expliziten Ableitung von Ungleichwertigkeiten aus Unterschieden. Ob das betreffende Individuum der ihm zugeschriebenen Gruppe tatsächlich angehört, ist dabei nicht relevant. Die Ideologie des Ethnopluralismus ist dabei ausdrücklich eingeschlossen, da sie in modernem Vokabular Rassen konstruiert und rassistische Trennung propagiert. Sie beruht auf einer Priorisierung und Überbewertung der zugeschriebenen ethnischen Zugehörigkeit und entindividualisiert den Menschen. Von Rassismus ist vor allem dann zu sprechen, wenn die (konstruierte) Zugehörigkeit zu einer Gruppe und damit die zugeschriebenen Eigenschaften als unabänderbar gelten. Diese oftmals tradierten, seit Jahrhunderten in der Gesellschaft verankerten Zuschreibungen dienen der Legitimation gesellschaftlicher Machtansprüche. Sie äußern sich dadurch, dass den als ‚fremd‘ ausgegrenzten Gruppen der Zugang zu sozialen, politischen und kulturellen Ressourcen erschwert oder verwehrt wird. Darüber hinaus dient Rassismus der Identitätsbildung bestimmter Gruppen durch Abgrenzung zu einem als minderwertig wahrgenommenen vermeintlich ‚Fremden‘. Die tatsächliche Pluralität der Gesellschaft wird zu vereinheitlichen versucht und das, was entweder offen oder verdeckt als fremd definiert wird, bleibt in der öffentlichen Repräsentation und Wahrnehmung wenig sichtbar. Rassismus kann intendiert oder nicht intendiert erfolgen und lässt sich nicht auf beabsichtigtes böswilliges Handeln reduzieren. Rassismus umfasst auf einer individuellen, intendierten Ebene die Überzeugung, dass Menschen aufgrund tatsächlicher oder vermeintlicher Differenzen ungleich zu behandeln seien und dient somit zur Rechtfertigung sozialer Ungleichheit. Unterschiede in Lebensentwürfen, Normen und Werten werden auf der diskursiven Ebene zu national-kulturellen Unterschieden erklärt, womit einerseits die Unterschiede innerhalb der „eigenen“ Gruppe weitestgehend negiert und andererseits die Vielfalt innerhalb der als „fremd“ definierten Gruppe abgesprochen wird. Die Erscheinungsformen von Rassismus beschränken sich demnach nicht auf die historische Form des biologistischen Rassismus, nachdem Rassen anhand biologischer Unterschiede konstruiert werden. Vielmehr werden Rassen heute überwiegend anhand der vermeintlichen Unaufhebbarkeit kultureller Differenzen konstruiert. Ethnische, kulturelle und religiöse Differenzen werden in diesem Prozess der Rassifizierung analog zu biologischen Differenzen naturalisiert und somit als unveränderlich und vererbbar verstanden.“[1]

Die Debatte um Rassismus in Deutschland ist oftmals durch epistemische Gewalt gekennzeichnet, auch weil das Wissen über die Funktionsweise von Rassismus wenig verbreitet ist: rassismuserfahrenen Gruppen werden ihre Diskriminierungserfahrungen abgesprochen, rassistische Realitäten geleugnet, nivelliert, bagatellisiert, die Relevanz oder gar Existenz des Wissens und der kollektiven Erfahrungen von rassismuserfahrenen Gruppen verneint. Dem ist durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund ist nachdrücklich auf die sich aus der Menschenrechtskonvention ICERD (Inter-national Convention on the Elimination of Racial Discrimination) ergebenden rechtlichen Verpflichtungen für staatliches und behördliches Handeln hinzuweisen. Die in Artikel 1 dieser UN-Antirassismuskonvention festgelegte menschenrechtliche Definition rassistischer Diskriminierung weist dabei über ein verengtes Rassismusverständnis hinaus, indem sie auch nicht-intentionale rassistische Diskriminierung umfasst: Die Definition beinhaltet ‚jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird‘. Durch die Ratifizierung von ICERD steht die Menschenrechtskonvention im Rang eines Bundesgesetzes, das staatliche und öffentliche Einrichtungen zu ihrer Einhaltung verpflichtet. Die Konvention beinhaltet darüber hinaus konkrete Verpflichtungen zum gezielten Abbau rassistischer Diskriminierung, was auch deren differenzierte Erfassung sowie die einfach-rechtliche Umsetzung der UN-Konvention beinhaltet. Der die Konvention überwachende UN-Antirassismusausschuss hat mehrfach festgestellt, dass Deutschland in der Einhaltung der Konvention hinter den eingegangenen Verpflichtungen zurückbleibt.

Diskriminierung

Bei der Diskriminierung handelt es sich um eine illegitime Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Zuordnung in bestimmte Kategorien. Durch diskriminierendes Verhalten wird der Mensch entpersonalisiert, er erleidet schon aufgrund seiner bloßen oder vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen oder kulturellen Kategorie Nachteile bei

Teilhabe-, Handlungs- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten. Menschen werden unter anderem aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Hautfarbe, Alter, Behinderung, Religion oder sozialer Herkunft abgewertet und hierarchisch untergeordnet. Den Diskriminierenden wird dadurch ermöglicht, eine ungerechtfertigte Machtposition einzunehmen. Zu einer institutionellen Diskriminierung kommt es, wenn durch Normen und Verhaltensweisen bestimmte Gruppen regelmäßig und im Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen benachteiligt werden. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

sind die Gruppen aufgeführt, die Benachteiligungen erfahren. Dort werden auch Mehrfachdiskriminierungen (Intersektionalität) berücksichtigt. Daneben benennt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes explizit zusätzliche Diskriminierungsgründe, wie die soziale Herkunft, welche vom AGG nicht berücksichtigt werden.

Die EU-Grundrechtecharta umfasst überdies noch die Diskriminierung aufgrund des sozio-ökonomischen Status einer Person. Diskriminierung läuft den gesellschaftlichen Grundsätzen von Gleichheit und Gerechtigkeit zuwider und stellt eine Verletzung der Menschenrechte dar. Der Begriff der Diskriminierung ist weiter gefasst als der des Rassismus. Er umfasst ein größeres Spektrum an gesellschaftlicher Ungleichbehandlung. Im Gegensatz zum Rassismus ist die Diskriminierung nicht auf der Einstellungsebene angesiedelt, sondern ein illegitimes Verhalten. Gleichwohl wird durch Diskriminierung wie durch Rassismus eine Einteilung von Menschen anhand bestimmter Merkmale vorgenommen, mit der diese gegenüber der eigenen Gruppe abgewertet werden und so eine Hierarchisierung der Gesellschaft entsteht. Bei der Unterscheidung zwischen Diskriminierung und sachgerechter Differenzierung befindet man sich in einem Dilemma, das nicht einfach auflösbar ist. Einerseits müssen Differenzlinien zur Sichtbarmachung von Diskriminierung thematisiert werden, um dadurch überhaupt erst Diskriminierungsschutz und Gleichbehandlung gewährleisten zu können. Andererseits können durch die Betonung und Anerkennung von Differenzlinien Nicht-Zugehörigkeiten konstruiert werden, die dann diskriminierend wirken. Das Spannungsverhältnis zwischen illegitimer Diskriminierung und legitimer Differenzierung lässt sich nur in einem ständigen Abwägungsprozess bearbeiten. Ein Orientierungspunkt dafür findet sich beispielsweise in Artikel 1 Absatz 4 ICERD, in dem festgehalten ist, dass Sondermaßnahmen, die zum Diskriminierungsschutz ergriffen wurden, nur solange in Kraft sein sollen, bis das Ziel, um derentwillen sie getroffen wurden, erreicht ist.“[2]

 

Institutioneller Rassismus

Institutioneller Rassismus ist das kollektive Versagen einer Organisation, angemessene und professionelle Dienstleistungen für Personen wegen vermeintlicher Merkmale wie Hautfarbe, Sprache, Herkunft oder Religion und der damit verbundenen negativen Beurteilungen anzubieten.[3] Institutioneller Rassismus wird durch eingeschliffene Gewohnheiten, etablierte Wertvorstellungen und bewährte Handlungsmaximen[4] innerhalb einer Organisation, und wissentlich und unwissentlich durch Vorurteile, Ignoranz, Gedankenlosigkeit und rassistische Stereotypisierungen hervorgebracht und gestärkt.[5] Die Ausgrenzungs- und Benachteiligungsstrukturen von Organisationen lassen sich u.a. in Gesetzen, Erlassen, Verordnungen und Zugangsregeln sowie Arbeitsweisen, Verfahrensregelungen und Prozessabläufen erkennen.

II. Handlungsempfehlungen des Begleitausschusses

Basierend auf den Begriffsbestimmungen leiten sich folgende 4 Handlungsempfehlungen ab:

1.      Partizipationsgesetze in allen Bundesländern und auf Bundesebene

Es braucht Partizipationsgesetze in allen Bundesländern und auf Bundesebene, um  die diversitätsorientierte und diskriminierungskritische Organisationsentwicklung von staatlichen Behörden und Institutionen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die politische Einbindung der Vertretungen von Migrant*innenorganisationen und neuen deutschen Organisationen muss gesetzlich sowohl auf Bundes, als auch Länderebene sichergestellt werden. Inhaltliche und materielle Vorbilder sind die Gleichstellungsgesetze im Bereich „Frauen“. Wir fordern ausdrücklich eine Repräsentationsquote im öffentlichen Dienst und bei der Besetzung von Gremien.

2.      Institutionelle Verankerung von Antirassismus und chancengerechte Einwanderungsgesellschaft

Es braucht einen „Partizipationsrat Einwanderungsgesellschaft“, der vergleichbar mit dem Deutschen Ethikrat auf rechtlicher Grundlage mit Empfehlungen an der Erarbeitung von Gesetzestexten mitwirkt und Diskussionen öffentlich begleitet und versachlicht. Weitere Aufgaben: Koordinierung der Umsetzung, des Monitorings und der Auswertung von Programmen und Maßnahmen. (Zum Beispiel: Vollständige Umsetzung der ECRI und CERD Empfehlungen). Einen vollständigen Überblick zu möglichen Aufgaben und Konstituierung bietet der Gesetzestext zum Deutschen Ethikrat. Wir befürworten, dass der Partizipationsrat beim Deutschen Bundestag angesiedelt wird. Bei der Zusammensetzung ist darauf zu achten, dass die vier im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus (NAP-R) benannten marginalisierten Gruppen, weitere Zivilgesellschaft und Wissenschaft entsprechend im Rat vertreten sind.

3.      Der Diskriminierungsschutz muss gestärkt werden

Gleichbehandlung und Schutz vor rassistischer und weiterer Diskriminierung müssen durchsetzbar sein und nicht nur auf dem Papier stehen. Deshalb muss das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dringend reformiert werden, da die Praxis zeigt, dass es unzureichend ist. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat das Gesetz 2016 evaluieren lassen. Auf dieser Grundlage und der langjährigen Erfahrung aus der Beratungspraxis der Antidiskriminierungsberatungsstellen lassen sich zahlreiche notwendige Änderungen ableiten:

  • Allen voran muss es möglich sein, dass Verbände für Betroffene klagen können, sowohl in Einzelfällen, als auch in Diskriminierungsfällen, die eine strukturelle Dimension haben.

  • Die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gesetz muss verlängert werden.

  • Das Mandat und die Kompetenzen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes müssen erweitert werden. 

Zudem bestehen nach wie vor Schutzlücken im rechtlichen Diskriminierungsschutz, da das AGG nur den privatrechtlichen Bereich und nicht staatliches Handeln umfasst.  Das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot und die entsprechenden Regelungen in den Länderverfassungen sind in der Praxis nicht ausreichend und müssen flankiert werden durch einfachgesetzliche Regelungen, die es auch ermöglichen, Recht in Anspruch in zu nehmen, wenn Diskriminierung durch staatliches Handeln verursacht wird.

Neben Antidiskriminierungsgesetzen auf Landesebene (LADG) braucht es dafür ein Bundesantidiskriminierungsgesetz (BADG) zum Schutz vor Diskriminierung durch staatliche Stellen. Auch der Ausbau des betrieblichen Antidiskriminierungsschutzes ist im Betriebsverfassungsgesetz voranzubringen.

Gleichbehandlungsstellen, allen voran die Antidiskriminierungsstelle des Bundes müssen entsprechend der Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) vollständig unabhängig aufgestellt werden. Dafür braucht es strukturelle Veränderungen, sowie eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung und eine neues, von der Exekutive unabhängiges Verfahren für die  Besetzung der Leitung.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben muss der Bund auch eine Unabhängige Beschwerdestelle für die Bundespolizei einrichten. Diese muss mit umfassenden Untersuchungskompetenzen ausgestattet werden  um unabhängig Diskriminierungsvorfälle wie u.a. Racial Profiling zu untersuchen.  Entsprechende Einrichtungen braucht es ebenso  auf Länderebene  Die Absage durch den Bundesinnenminister des Inneren zur Durchführung einer Studie zu „racial profiling“ werten wir als deutliche Belastung einer guten Zusammenarbeit im Kabinettsausschuss. 

Schließlich muss der Aufbau und die nachhaltige Finanzierung eines bundesweiten Netzes an Antidiskriminierungsberatungsstellen  (ADB) sichergestellt werden. Diese gewährleisten professionelle, unabhängige und niedrigschwellige Unterstützung für Menschen die beispielsweise auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt Diskriminierung erfahren. Ohne diese Unterstützungsform ist es für viele rassistisch diskriminierte Menschen sehr schwierig bis unmöglich ihre Rechte wahrzunehmen und durchzusetzen.

4.      Neues Staatsziel – Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft und Antirassismus

Es braucht die Aufnahme eines neuen Staatsziels ins Grundgesetz als Art. 20b: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein vielfältiges Einwanderungsland. Sie fördert die gleichberechtigte Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration aller Menschen.“ Dadurch wird in der Verfassung verankert, dass Deutschland ein vielfältiges Einwanderungsland ist und alle staatlichen Ebenen zur Umsetzung dieses Staatsziels verpflichtet sind. Zudem ist die Förderung von Teilhabe und Vielfalt als Gemeinschaftsaufgabe im GG zu verankern. Zudem ist die Förderung von Teilhabe und Vielfalt als Gemeinschaftsaufgabe sowie eine Anti-Rassimusklausel wie beispielsweise in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt vorhanden, im GG zu verankern.

Wir erwarten im Vorfeld eine Stellungnahme der Bundesregierung auf die Inhalte unseres offenen Briefs an Bundeskanzlerin Dr. Merkel vom 27.02.2020 (Anhang 1 und 2), um darauf Bezug zu nehmen. Der Begleitausschuss der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen wird Mitte August einen „Antirassismus-Plan 2025“ vorlegen, der die bisherigen Ideen und Forderungen von den Organisationen der von Rassismus betroffenen Menschen aufgreift, operationalisiert und damit zu einem Impuls unsererseits für die Arbeit des Kabinettsausschusses aufbereitet. Die im Bericht der konstituierenden Sitzung des Kabinettsausschusses beschriebenen vier Aspekte werden dabei als Handlungsziele aufgegriffen, die mit Maßnahmen unterlegt werden sollen.

Unsere Vorschläge für die Anhörung des Kabinettausschusses mit der Zivilgesellschaft sind folgende Vertreter*innen:

Ferda Ataman

Farhad Dilmaghani

Saraya Gomis

Dr. Deniz Nergiz

Dr. Marta Neuff

Marianne Ballé Moudoumbou

Kerber, seifert

[2] Enquetekommission 6/1 „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie, S-58-60.

[3] Der Abschlussbericht des «UN-Sonderberichterstatters zu zeitgenössischen Formen von Rassismus, rassistischer Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und artverwandten Formen von Intoleranz» von Githu Muigai ist am 22.02.2010 erschienen und wurde am 16.06.2010 im UN-Menschenrechtsrat vorgestellt

[4] Der Begriff des „institutionellen Rassismus geht auf Stokely Carmichael In “Black Power: The Politics of Liberation”, Kwame Toure[4] (Stokely Carmichael) und Hamilton gaben 1967 eine bahnbrechende Definition der zwei Hauptformen von Rassismus als Phänomen, dass „die Gesellschaft auf der individuellen und der institutionellen Ebene durchzieht, sowohl in versteckter als auch in offener Weise.“ „Von strukturellem Rassismus spricht man, wenn das gesellschaftliche System mit seinen Rechtsvorstellungen und seinen politischen und ökonomischen Strukturen Ausgrenzungen bewirkt, während der institutionelle Rassismus sich auf Strukturen von Organisationen, eingeschliffene Gewohnheiten, etablierte Wertvorstellungen und bewährte Handlungsmaximen bezieht“ (Rommelspacher, B., 2009, S. 29). Der strukturelle Rassismus schließt also den institutionellen Rassismus ein (Vgl. Hormel, U./ Scherr H., 2004, 26 ff.). in Mandy Franke (Autor), Institutioneller Rassismus, Hausarbeit, 2014, Einführung.

advd